Bauchwurm, die Politik und ich

Prolog zur mühsamen Suche nach Arbeit

Ich saß in meiner Zweizimmerwohnung vor dem geöffneten Fenster mit Blick auf die Fabrik, die Strandausrüstung produzierte, und schob genussvoll meinen entblößten Körper der vor Überfluss an Energie funkelnden, sommerlichen Sonne unter, als mich meine Ehefrau, Swetlana, ans Telefon rief.
„Ich liege am Strand“, antwortete ich ungehalten. „Stör mich nicht beim Sonnenbaden.“
„Deine Erholung läuft dir nicht weg“, lächelte Swetlana. „Dein Landsmann, ein Politiker Bauchwurm, fragt nach dir… Sprich mit ihm, vielleicht hilft er dir, Arbeit zu finden.“
Ich sprang auf und nahm den Hörer.
„Wie hältst du es mit der Politik?“, fragte mein Gesprächspartner, ohne mich zu grüßen.
„Mit Liebe“, murmelte ich vieldeutig, eine aufsteigende Unruhe verspürend.
„Welch Freude, das zu hören!“ Bauchwurms Stimme überschlug sich im Überschwang der Gefühle. „Ich gehe mit ihr auch wie mit einer Frau um…“
„Wie mit einer käuflichen?“ Mein Interesse war geweckt.
„Nein, wie mit einer schwangeren“, schallte es durch den Hörer. Aber gleich lenkte er das Gespräch in eine sachliche Richtung.
„Meine Partei muss zwei Kandidaten in die Welt setzen. Es rücken Wahlen näher, verstehst du, rü-cken-nä-her…“
„Na, und?“, fragte ich, mit den nackten Schultern zuckend. Aber mir schien, als hörte ich von draußen das Pfeifen des Windes.
„Was heiß hier: Na, und? Das ist doch ein Taifun an Maßnahmen, Vorträgen, Treffen, Gesprächen, Saufereien… Pfui! Ich habe mich geirrt… Das Gewitter braut sich schon zusammen. Wir müssen Vorbereitungen treffen, Maßregeln festlegen, die Wähler umarmen… Pfui! Wir werden sie nicht umarmen! Nein, wir werden alles dafür tun, um die Wahlen zu gewinnen….Wenn notwendig, werden wir die Wähler freundlich behandeln, sie vertrösten, an der Nase herumführen…. zum Narren halten… Hörst du, wie der Wind pfeift?“
„Ja, ich höre es“, gab ich zurück.
„Bist du für uns oder gegen uns?“
„Ich bin arbeitslos!“
„Um so besser. Dreh deine Nase in den Wind - und unsere ‚Schwangere‘ vergisst dich nicht!“
„Steht Arbeit an?!“, freute ich mich.
„Und was für eine Arbeit! Das wird eine schwere Geburt werden! Und du wirst einer unserer Geburtshelfer…“
„Warte mal eine Minute. Ich muss das mit meiner Frau besprechen.“
Ich drehte mich zu Swetlana um und fragte:
„Hast du etwas dagegen, wenn ich ehrenamtlich als politischer Geburtshelfer arbeite?“
„Du kannst sogar als Elefant im Zoo arbeiten, wenn Bauchwurm dir hilft…“, antwortete sie, und ein Hauch von Hoffnung schimmerte in ihrem Gesicht.

Auszug aus dem Buch "Im land des Schaffens"

                 

© Heinrich (Gennady) Dick
Reihe „Lachen und Schaffen“